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Sonntag, 01.10.2017

Kindergeld bis zum Abschluss des angestrebten Berufsziels

Das Finanzgericht RheinlandPfalz hat entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht schon dann endet, wenn das Kind (vor Erreichen des 25. Lebensjahres) einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss erreicht hat, sondern erst dann, wenn das von Beginn an angestrebte Berufsziel einer mehraktigen Ausbildung erreicht ist.

Eine Steuerpflichtige war Mutter einer in 1991 geborenen Tochter, die im Juli 2015 die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf „Immobilienkauffrau“ bestand und ab Oktober 2015 an dem Lehrgang „geprüfter Immobilienfachwirt/geprüfte Immobilienfachwirtin“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) teilnahm. Voraussetzung für die Teilnahme an der Prüfung zur „geprüften Immobilienfachwirtin“ war das Bestehen der Abschlussprüfung im Ausbil dungsberuf „Immobilienkauffr au“ sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis nach abgeschlossener Lehre. Deshalb war die Tochter der Steuerpflichtigen ab Juli 2015 parallel zu ihrer Ausbildung bei der IHK in einem entsprechenden Ausbildungsbetrieb in Koblenz angestellt. Die Familienkasse lehnte den Antrag der Mutter auf Kindergeld für die Zeit ab August 2015 mit der Begründung ab, dass die Tochter bereits im Juli 2015 ihre erste Berufsausbildung abgeschlossen und sodann eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Deshalb könne die Ausbildung bei der IHK nicht berücksichtigt werden.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass die Erstausbildung der Tochter erst mit dem Abschluss der Prüfung zur „geprüften Immobilienfachwirtin“ ende, so dass bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (= Dezember 2016) Kindergeld zu gewähren sei. Eine erstmalige Berufsausbildung sei nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang beendet. Denn es gebe Ausbildungsgänge, bei denen der erste Berufsabschluss lediglich integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs sei. Solche mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen seien allerdings nur dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt seien, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden solle und das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden könne. Liege noch keine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung vor, komme es auf eine Erwerbstätigkeit des Kindes nicht an. Im vorliegenden Fall sei die Erstausbildung der Tochter somit nicht schon mit dem erfolgreichen Abschluss im Ausbildungsberuf „Immobilienkauffrau“ beendet worden, sondern erst mit dem weiter qualifizierenden Abschluss „geprüfte „Immobilienfachwirtin“. Denn dieses Berufsziel habe sie von Beginn an angestrebt, aber erst über den weiterführenden Abschluss Immobilienkauffrau“ erreichen können und unmittelbar nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnittes im Juli 2015 ohne Unterbrechung ab August 2015 fortgesetzt. Da ihre Erstausbildung nicht im Juli 2015 geendet habe, sei ihre Erwerbstätigkeit ab August 2015 unschädlich.

Hinweis: Zahlreiche Ausbildungswege gestalten sich heutzutage als „mehraktige Ausbildungsmaßnahmen“, die stets die Frage aufwerfen, ob mit dem Erreichen des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses das Ausbildungsziel bereits erreicht ist. Denn für den Weiterbezug von Kindergeld sind nach Abschluss einer Erstausbildung nur bestimmte Formen der Erwerbstätigkeit unschädlich (maximal 20 Stunden wöchentlich, Ausbildungsdienstverhältnisse oder nur geringfügige Beschäftigung). Zu der Thematik liegen bereits einige positive Entscheidungen des BFH vor, z.B. zum sog. dualen Studium, zum Masterstudium nach vorangegangenem Bachelorstudiengang, zum Besuch der Fachoberschule für Technik nach Ausbildung zum Elektroniker, zum Betriebswirt (VWA) als fachliche Ergänzung oder Vertiefung einer kaufmännischen Ausbildung im Gesundheitswesen.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Juni 2017, 5 K 2388/15, NWB DokID: PAAAG 51452
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