Steuer-News-Archiv
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Sonntag, 01.01.2012

Wann darf der längere Arbeitsweg abgezogen werden?

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte können für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht und für jeden vollen Entfernungskilometer, in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 € pro Kilometer steuerlich abgezogen werden. Für die Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend. Nur in Ausnahmefällen darf eine längere Straßenverbindung zugrunde gelegt werden, nämlich dann, wenn diese „offensichtlich verkehrsgünstiger“ ist und vom Arbeitnehmer auch regelmäßig benutzt wird.

Der BFH hat in gleich zwei aktuellen Urteilen konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen die Entfernungspauschale für einen längeren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten abgezogen werden kann.

Im einen Fall ging es um eine Wegstrecke, die nicht die erforderliche Fahrtzeitverkürzung von mindestens 20 Minuten brachte. Im anderen Fall berücksichtigte das Finanzgericht in der Vorinstanz eine Verkehrsverbindung, die der Steuerpflichtige tatsächlich gar nicht benutzte.

Der BFH betrachtete als „offensichtlich“ verkehrsgünstiger die vom Arbeitnehmer gewählte Straßenverbindung, wenn sich jeder unvoreingenommene, verständige Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung dieser Strecke entschieden hätte. Eine Mindestzeitersparnis von 20 Minuten, wie sie die Finanzämter im Allgemeinen fordern, sei nicht stets erforderlich. Vielmehr seien alle Umstände des Einzelfalls, wie z.B. die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o.ä. in die Beurteilung einzubeziehen. Eine Straßenverbindung könne auch dann „offensichtlich verkehrsgünstiger“ sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten sei. Den ersten Fall entschied der BFH damit zu Gunsten des Steuerpflichtigen.

In der zweiten Entscheidung stellte der BFH darüber hinaus klar, dass nur die tatsächlich benutzte Straßenverbindung für den Abzug in Betracht komme. Eine bloß mögliche, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzte Straßenverbindung könne der Berechnung der Entfernungspauschale nicht zugrunde gelegt werden.

Hinweis: Zwar liefern die beiden BFH-Urteile keine genaue Bestimmung, ab welcher Zeitersparnis der längere Arbeitsweg steuerlich abgezogen werden kann, aber zumindest hat der BFH die von der Finanzverwaltung geforderte 20-minütige Zeitersparnis kassiert. Steuerpflichtige sollten auf Grund der neuen Rechtsprechung prüfen, inwieweit der tatsächliche (längere) verkehrsgünstigere Arbeitsweg zum Abzug kommt. Der BFH musste sich in einem der beiden Fälle auch zur Berücksichtigung gemischt veranlasster Aufwendungen äußern. Es ging um den Besuch der Computermesse CeBIT, deren Kostenabzug durch das Finanzgericht in voller Höhe ablehnt wurde. Dabei hatte das Finanzgericht aber nicht den beruflich veranlassten Anteil an Reisekosten berücksichtigt. Das Finanzgericht hatte seine Entscheidung, die geltend gemachten Aufwendungen für den Besuch des Steuerpflichtigen auf der CeBIT seien nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, lediglich damit begründet, dass ihre ausschließlich berufliche Veranlassung nicht belegt sei. Dazu wird das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang feststellen müssen, ob und ggf. inwieweit die geltend gemachten Aufwendungen beruflich veranlasst sind.

Quelle: BFH-Urteile vom 16. Novem- ber 2011, VI R 19/11 und VI R 46/10, LEXinform Nrn. 0928522 und 0928085; BFH-Pressemitteilung vom 8. Februar 2012, Nr. 12/12, LEXinform Nr. 0437516
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