Steuer-News-Archiv
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Sonntag, 01.07.2012

Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Exporte in andere EU-Staaten können nur dann von der Umsatzsteuer befreit werden, wenn der Lieferant dafür Nachweise in Form von Belegen erbringen kann. Zwar sollten ab 2012 die bislang gültigen Exportnachweise durch die sog. Gelangensbestätigung ersetzt und vereinheitlicht werden, doch wegen Schwierigkeiten bei deren praktischer Umsetzung kann der Exportnachweis alternativ bis auf Weiteres in der bisherigen Form erbracht werden. So fordert die Finanzverwaltung nach wie vor bei Abholung des Liefergegenstands vor Ort, dass der Abnehmer eine Empfangsbestätigung unterschreibt und außerdem versichert, dass er den Liefergegenstand ins EU-Ausland verbringt. Diese muss schriftlich sowie in deutscher Sprache abgefasst sein und darüber hinaus soll die Unterschrift über eine Passkopie nachprüfbar sein.

Doch gehen diese Forderungen nicht zu weit? Dies bejaht das Niedersächsische Finanzgericht.

Eine GmbH lieferte Fahrzeuge ins EU-Ausland und behandelte die Umsätze als steuerfrei. Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte das Finanzamt u.a. für ein Fahrzeug die Umsatzsteuerfreiheit, weil erhebliche Zweifel bestanden, ob der wirkliche Abholer tatsächlich der beauftragte Bevollmächtigte war. In der Tat stellte sich zwischenzeitlich heraus, dass es sich bei dem Empfänger um eine Scheinfirma handelte. Nun wollte das Finanzamt die GmbH zur Verantwortung ziehen, indem es ihr eine Missachtung der Sorgfaltspflichten unterstellte. Das Finanzamt hatte darüber hinaus auch den Verdacht, dass eine Unterschriftsfälschung vorgelegen habe, die die GmbH hätte erkennen müssen.

Die GmbH machte dagegen geltend, dass sie von der Vertrauensschutzregel profitieren könne. Nach dieser Regelung kann eine innergemeinschaftliche Lieferung auch dann steuerfrei behandelt werden, wenn die Voraussetzungen dafür eigentlich gar nicht vorliegen, vorausgesetzt der Steuerpflichtige konnte die unrichtigen Angaben des Abnehmers bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen. Das Finanzamt hielt jedoch dagegen, dass die GmbH ihre Sorgfaltspflichten verletzt hätte.

Das Finanzgericht entschied jedoch zu Gunsten der GmbH. Sie hätte sich sämtliche erforderlichen Belege vorlegen lassen, insbesondere hätte sie sich durch den Abnehmer versichern lassen, dass der Gegenstand ins EU-Ausland verbracht würde. Die Forderung des Finanzamts, dass die dort geleistete Unterschrift ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers ermöglichen müsse, hielten die Richter für unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass hier die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des Bevollmächtigten auf dessen Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimmte, könne deshalb nicht zum Nachteil der GmbH ausgelegt werden.

Hinweis: Das Finanzgericht musste auch noch eine weitere Lieferung, die ebenfalls an eine Scheinfirma ging, umsatzsteuerlich beurteilen. Dort versagten die Richter der GmbH allerdings die Vertrauensschutzregelung, weil sich der Bestimmungsort laut Rechnung in Italien befand, der vorgelegte Frachtbrief eine Lieferung nach Frankreich auswies. Es bestünden somit Zweifel, dass die Ware tatsächlich in einen anderen Mitgliedstaat gelangt sei. Dieser Widerspruch hätte bei Beachtung der Sorgfalt einem ordentlichen Kaufmann auffallen müssen. Nach wie vor sollte der Belegnachweis im innergemeinschaftlichen Export gewissenhaft geführt werden, insbesondere bei sog. Abhollieferungen. Sollte der deutsche Unternehmer unwissentlich an eine ausländische Scheinfirma liefern, wird das Finanzamt versuchen, ihm eine Verletzung seiner Sorgfaltspflichten anzuhängen, wie das oben stehende Urteil zeigt.

Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil vom 11. August 2012, 5 K 96/08, Revision eingelegt (Az. des BFH: XI R 17/12), www. rechtsprechung.niedersachsen.de
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