Steuer-News-Archiv
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Montag, 01.10.2018

Einzelaufzeichnungspflicht bei Bargeschäften (Kassenführung)

Das Bundesministerium der Finanzen hat aufgrund der Änderung der Abgabenordnung durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen den Anwendungserlass zur Abgabenordnung, entsprechend angepasst und einige Zweifelsfragen, insbesondere hinsichtlich der Einzelaufzeichnungspflicht bei Kassenaufzeichnungen, geklärt.

Einzelaufzeichnungspflicht bei Barumsätzen

Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung gilt unabhängig von der Gewinnermittlungsart, also auch für Einnahmeüberschussrechner, die weder eine Bilanz erstellen noch Bücher führen müssen.

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erfordern grundsätzlich die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls unmittelbar nach seinem Abschluss und in einem Umfang, der einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit eine lückenlose Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts, seiner Entstehung und Abwicklung und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Das bedeutet nicht nur die Aufzeichnung der in Geld bestehenden Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners. Dies gilt auch für Bareinnahmen und für Barausgaben. Die Grundsätze gelten für jeden, der eine gewerbliche, berufliche oder land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Der Umstand der sofortigen Zahlung rechtfertigt keine Ausnahme.

Die Grundaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass sie jederzeit eindeutig in ihre Einzelpositionen aufgegliedert werden können. Zeitnah, d.h. möglichst unmittelbar zu der Entstehung des jeweiligen Geschäftsvorfalles aufzuzeichnen sind

  • der verkaufte, eindeutig bezeichnete Artikel;
  • der endgültige Einzelverkaufspreis;
  • der dazugehörige Umsatzsteuersatz und -betrag;
  • vereinbarte Preisminderungen;
  • die Zahlungsart;
  • das Datum und der Zeitpunkt des Umsatzes;
  • die verkaufte Menge bzw. Anzahl;
  • der Ausweis des Umsatzsteuerbetrages (zumindest in einer Summe auf den Rechnungsbetrag).

Diese Anforderungen gelten entsprechend auch für Dienstleistungen.

Die Kundendaten müssen nicht einzeln aufgezeichnet werden, sofern diese nicht zur Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit des Geschäftsvorfalls benötigt werden. Dies gilt auch, wenn ein elektronisches Aufzeichnungssystem eine Kundenerfassung und Kundenverwaltung zulässt, die Kundendaten aber tatsächlich nicht oder nur teilweise erfasst werden. Soweit Aufzeichnungen über Kundendaten aber tatsächlich geführt werden, sind sie aufbewahrungspflichtig, sofern dem nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.

Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem oder eine offene Ladenkasse verwendet. Wird zur Erfassung von aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfällen ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet und fällt dieses aus (z.B. Stromausfall, technischer Defekt), ist während dieser Zeit eine Aufzeichnung auf Papier zulässig. Die Ausfallzeiten sind zu dokumentieren.

Hinweis: Zu begrüßen ist, dass die Finanzverwaltung, wie auch zu erwarten war, bei Laufkundschaft auf die Aufzeichnung von Kundendaten verzichtet. Ansonsten werden hohe Anforderungen an den Inhalt einer Einzelaufzeichnung gestellt, die handschriftlich wohl kaum zu erfüllen sind. Bemerkenswert ist auch, dass für jeden einzelnen Umsatz der Zahlungsweg zu erfassen ist. Dies wird in der Praxis nicht immer so gehandhabt. Unternehmer müssen ihre Kassensysteme so programmieren, dass eine Erfassung des Zahlungsweges möglich ist und das Bedienpersonal entsprechend anweisen, bei jedem Kassiervorgang den Zahlungsweg zu erfassen. Die Arbeitsanweisung sollte schriftlich erfolgen und aufbewahrt werden.

Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen

Die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls ist nur dann nicht zumutbar, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch den Steuerpflichtigen nachzuweisen. Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung gilt die Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen nicht, wenn kein elektronisches Aufzeichnungssystem, sondern eine offene Ladenkasse verwendet wird.

Werden eines oder mehrere elektronische Aufzeichnungssysteme verwendet, sind diese grundsätzlich zur Aufzeichnung sämtlicher Erlöse zu verwenden. Ist für einen räumlich oder organisatorisch eindeutig abgrenzbaren Bereich aus technischen Gründen oder aus Zumutbarkeitserwägungen eine Erfassung über das vorhandene elektronische Aufzeichnungssystem nicht möglich, wird es nicht beanstandet, wenn zur Erfassung dieser Geschäftsvorfälle eine offene Ladenkasse verwendet wird.

Hinweis: Dies sollte unseres Erachtens dann gegeben sein, wenn z.B. in einem Restaurant im Innenbereich die Umsätze über eine Registrierkasse erfasst werden und im Außenbereich (Biergarten) eine gesonderte Verkaufstheke (z.B. zur Selbstbedienung für Getränke) vorhanden ist, welche nur über eine offene Ladenkasse verfügt. Hier wird es jeweils auf den Einzelfall ankommen.

Soweit der Steuerpflichtige mehrere Geschäftskassen führt, sind die Anforderungen an die Aufzeichnung von baren und unbaren Geschäftsvorfällen für jede einzelne Sonder- und Nebenkasse zu beachten.

Von einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl nicht bekannter Personen ist auszugehen, wenn nach der typisierenden Art des Geschäftsbetriebs alltäglich Barverkäufe an namentlich nicht bekannte Kunden getätigt werden. Dies setzt voraus, dass die Identität der Käufer für die Geschäftsvorfälle regelmäßig nicht von Bedeutung ist (Laufkundschaft). Unschädlich ist, wenn der Verkäufer aufgrund außerbetrieblicher Gründe tatsächlich viele seiner Kunden namentlich kennt (z.B. Stammkunden).

Die Zumutbarkeitsüberlegungen, die der Ausnahmeregelung zugrunde liegen, sind grundsätzlich auch auf Dienstleistungen übertragbar. Es wird vor diesem Hintergrund nicht beanstandet, wenn diese Ausnahmeregelung auf Dienstleistungen angewendet wird, die an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung erbracht werden und kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet wird. Hierbei muss der Geschäftsbetrieb auf eine Vielzahl von Kundenkontakten ausgerichtet und der Kundenkontakt des Dienstleisters und seiner Angestellten im Wesentlichen auf die Bestellung und den kurzen Bezahlvorgang beschränkt sein (beispielsweise Restaurationsdienstleistungen im Gaststättengewerbe). Einzelaufzeichnungen sind dagegen zu führen, wenn der Kundenkontakt in etwa der Dauer der Dienstleistung entspricht und der Kunde auf die Ausübung der Dienstleistung üblicherweise individuell Einfluss nehmen kann (Friseur, Nagelstudio, etc.).

Auf die Aufzeichnungserleichterung können sich Dienstleister – wie auch Einzelhändler – aber insoweit nicht berufen, als tatsächlich Einzelaufzeichnungen geführt werden.

Aufzeichnungspflichten von Waagen

Liegen Einzeldaten einer Waage (Artikel, Gewicht bzw. Menge und Preis der Ware) eines aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Geschäftsvorfalls vor, sind diese einzeln aufzuzeichnen und aufzubewahren. Werden diese Einzeldaten zusätzlich in einem elektronischen Kassensystem aufgezeichnet, wird es nicht beanstandet, wenn die Einzeldaten der Waage nicht zusätzlich aufbewahrt werden. Verwendet der Steuerpflichtige eine offene Ladenkasse sowie eine Waage, die lediglich das Gewicht und/oder den Preis anzeigt und über die Dauer des einzelnen Wiegevorgangs hinaus über keine Speicherfunktion verfügt, wird es nicht beanstandet, wenn die o.g. Einzeldaten der Waage nicht aufgezeichnet werden, sofern eine Befreiung von der Einzelaufzeichnungspflicht gegeben ist. Erfüllt die Waage hingegen die Voraussetzung einer elektronischen Registrierkasse, ist die Verwendung einer offenen Ladenkasse unzulässig.

Hinweis: Im Ergebnis bedeutet dies: Hat eine Waage Registrierkassenfunktion, d.h. die Waage speichert die einzeln erfassten Umsätze, gelten die gleichen Anforderungen wie für jede andere Registrierkasse. Ist dies nicht der Fall, muss das Ergebnis jedes einzelnen Wiegevorganges manuell aufgezeichnet werden. Hat die Waage keine Registrierkassenfunktion und wird neben der Waage eine Registrierkasse eingesetzt, empfiehlt es sich, das Ergebnis des Wiegevorganges in der Registrierkasse zu erfassen. Ansonsten müsste das Ergebnis des Wiegevorganges (Gewicht, Artikel, Preis je Gramm) gesondert, beispielsweise auf einem Zettel, notiert werden und hier eine Verknüpfung zur Einzelaufzeichnung der Registrierkasse, beispielsweise anhand der Belegnummer, hergestellt werden. Eine Registrierkasse sollte daher so programmiert werden, dass das Gewicht des gewogenen Artikels in der Kasse erfasst wird und die Kasse den Preis berechnet. Ermöglicht es die Waage, z.B. in einem internen Speicher, Warengruppen mit dem entsprechenden Preis zu hinterlegen, ist es nicht ausreichend, wenn nur der von der Waage ausgegebene Gesamtpreis in der Registrierkasse erfasst wird. Hier müsste das Ergebnis des Wiegevorganges gesondert aufgezeichnet werden. Werden beim Einsatz einer offenen Ladenkasse keine Einzelaufzeichnungen erstellt, sondern die Tageseinahmen durch Kassensturz retrograd, mithilfe eines Kassenberichtes, ermittelt, müssen die Wiegevorgänge nicht aufgezeichnet werden.

Offene Ladenkassen

Es besteht keine gesetzliche Pflicht zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems.

Einzelaufzeichnungen können durch die vollständige und detaillierte Erfassung (Artikelbezeichnung, Einzelpreis, Menge etc.) aller baren Geschäftsvorfälle in Form eines Kassenbuches erfolgen. Wird ein Kassenbericht zur Ermittlung der Tageslosung verwendet, kann die Einzelaufzeichnung auch durch die geordnete (z.B. nummerierte) Sammlung aller Barbelege gewährleistet werden. Besteht aus Zumutbarkeitsgründen keine Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung, müssen die Bareinnahmen zumindest anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden. Hierbei ist stets vom gezählten Kassenendbestand des jeweiligen Geschäftstages auszugehen. Von diesem Kassenendbestand werden der Kassenendbestand bei Geschäftsschluss des Vortages sowie die durch Eigenbeleg zu belegenden Bareinlagen abgezogen. Ausgaben und durch Eigenbeleg nachzuweisende Barentnahmen sind hinzuzurechnen.

Ein sog. „Zählprotokoll“ (Auflistung der genauen Stückzahl vorhandener Geldscheine und münzen) ist nicht erforderlich, erleichtert jedoch den Nachweis des tatsächlichen Auszählens.

Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Werden Kasseneinnahmen und Kassenausgaben ausnahmsweise erst am nächsten Geschäftstag aufgezeichnet, ist dies noch ordnungsgemäß, wenn zwingende geschäftliche Gründe einer Aufzeichnung noch am gleichen Tag entgegenstehen und aus den Aufzeichnungen und Unterlagen sicher entnommen werden kann, wie sich der sollmäßige Kassenbestand entwickelt hat.

Verkaufsautomaten

Bei Kassen ohne Verkaufspersonal (sog. Vertrauenskassen, wie z.B. beim Gemüseverkauf am Feldrand, Fahrscheinautomaten sowie Waren- und Dienstleistungsautomaten) wird es nicht beanstandet, wenn diese nicht täglich, sondern erst bei Leerung ausgezählt werden. Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein sachverständiger Dritter jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen.

Hinweis: Auch wenn die Verwaltung hohe Anforderungen an die Erfüllung der Einzelaufzeichnungspflicht stellt, ist die Neufassung des Anwendungserlasses zu begrüßen, werden doch viele offene Zweifelsfragen, vor allem hinsichtlich der Aufzeichnungspflichten für Waagen und Verkaufsautomaten, geklärt.

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