Steuer-News-Archiv
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Donnerstag, 01.10.2015

Kein Vorsteuerabzug bei Rechnungen mit Postfachadresse

Nach den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes müssen Unternehmer in Rechnungen u.a. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers angeben. Ein Leistungsempfänger kann einen Vorsteuerabzug nur geltend machen, wenn in den erhaltenen Rechnungen diese Angaben nicht fehlen. Fraglich ist, ob der Begriff „vollständige Anschrift“ auch einen „Briefkastensitz“ oder ein Postfach umfasst. Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung soll die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung (grundsätzlich) nicht ausreichen. Jedoch kann nach den Umständen des Einzelfalls auch die Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit postalischer Erreichbarkeit als Anschrift, die die gesetzlichen Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes erfüllt, genügen.

In einem aktuellen Urteil hat der BFH nun den Vorsteuerabzug aus Rechnungen versagt, die lediglich eine „Briefkastenadresse“ des Leistenden angeben. Er hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung, ein „Briefkastensitz“ mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, ausdrücklich nicht mehr fest.

In einem vom BFH entschiedenen Fall handelte eine GmbH mit Kraftfahrzeugen. Sie machte u.a. Vorsteuerbeträge aus Rechnungen eines Lieferanten geltend, der unter der auf den Rechnungen angegebenen Adresse lediglich postalisch erreichbar war. Unter der Adresse befanden sich eine Beratungsstelle des Lohnsteuerhilfevereins und ein Buchhaltungsbüro, das die Post des Lieferanten entgegennahm und für ihn die Buchhaltungsarbeiten erledigte. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Betriebsprüferin die Auffassung, dass Vorsteuerbeträge aus Rechnungen eines Lieferanten nicht abziehbar seien, weil es sich bei dieser Firma um eine „Scheinfirma“ gehandelt habe, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe. Das zuständige Finanzgericht wies die Klage gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid ab.

Auch der BFH versagte der GmbH den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen, da aus seiner Sicht das Merkmal der „vollständigen Anschrift“ nicht erfüllt sei. Nur die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfalte, erfülle dieses Merkmal. Die Finanzverwaltung könne das Tatbestandsmerkmal „vollständige Anschrift“ nur dann eindeutig und leicht nachprüfen, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des Lieferanten bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden habe. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trüge hierfür die Feststellungslast, denn es bestehe eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern.

Dabei wiesen die Richter darauf hin, dass sie nicht mehr an ihrer Äußerung in einem früheren Urteil festhalten, wonach ein „Briefkastensitz“ mit nur postalischer Erreichbarkeit ausreichen kann.

Hinweis: Es ist nicht ausreichend, wenn die Anschrift des Leistenden lediglich eine Postfachadresse beinhaltet. Ist dies der Fall, muss der Leistungsempfänger die Rechnung berichtigen lassen, um den Vorsteuerabzug zu bekommen. Problematisch ist, dass der Leistungsempfänger nachweisen muss, dass der Leistende an der von ihm angegebenen Adresse auch seine wirtschaftliche Aktivität entfaltet. Dies dürfte dem Leistungsempfänger kaum möglich sein. Auch können sich Steuerpflichtige nur im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen darauf berufen, dass sie gutgläubig davon ausgehen konnten, dass der Leistende an der angegebenen Adresse auch wirtschaftliche Aktivität entfaltet. Im Festsetzungsverfahren gebe es einen Schutz des guten Glaubens nicht. Dies verschärft die Problematik weiter, da man den Schutz des „guten Glaubens“ somit nicht im Rechtsbehelfsverfahren anführen kann. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung nicht in dieser Schärfe anwenden wird. Die vom BFH angesprochenen Erleichterungen im Umsatzsteueranwendungserlass betreffen nur die Angaben zur Anschrift des Leistungsempfängers! Abweichend von dieser aktuellen BFH-Entscheidung hat das Finanzgericht Köln (Urteil vom 28. April 2015) gerade erst den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung zugelassen, die als Rechnungsanschrift nur einen Briefkastensitz ohne wirtschaftliche Aktivitäten enthielt. Es führte dazu aus, dass es in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderungen von Geschäftsgebaren die Anforderungen an die Anschrift, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfinden müssen, für überholt hält. Zudem sei dieses Kriterium nach Ansicht des Finanzgerichtes viel zu unbestimmt und der BFH gebe für dieses Kriterium auch keine Begründung. Die Revision ist beim BFH (Az. V R 25/15) anhängig. Es ist zu hoffen, dass der BFH dieses Verfahren zum Anlass nimmt, um seine Rechtsprechung noch einmal zu überdenken.

Quelle: BFH-Urteil vom 22. Juli 2015, V R 23/14, www.juris.bundesfinanzhof.de
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