Steuer-News-Archiv
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Freitag, 01.04.2016

Erlass von Nachzahlungszinsen

Gleich zwei Finanzgerichte mussten sich mit dem Erlass von Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen beschäftigen. Im ersten Fall erfolgte bei einer im Bereich der Gastronomie tätigen GmbH eine Betriebsprüfung, in deren Folge das Finanzamt im November 2011 die Bescheide für die Jahre 2004- 2006 über Körperschaftsteuer sowie über Umsatzsteuer änderte und jeweils Nachzahlungszinsen festsetzte. Im Januar 2013 fand im Klageverfahren gegen die Änderungsbescheide ein Erörterungstermin statt, in dem die durch die Betriebsprüfung erfolgten Erlöszuschätzungen vermindert wurden. Das Finanzamt erließ daraufhin im Juni 2013 geänderte Steuerbescheide sowie geänderte Bescheide über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen. Zum Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung stand die Zahlung von Nachzahlungszinsen i.H.v. 10.709 € aus. Allen Zinsfestsetzungen lag jeweils ein Zinslauf vom 1. April 2006 bis 21. November 2011 zugrunde. Den auf Erlass der Zinsen gerichteten Antrag lehnte das Finanzamt ab. Mit ihrem Einspruch machte die GmbH geltend, dass sie an der erheblichen Zeitverzögerung nur ein geringes Verschulden trage. Zudem überstiegen die festgesetzten Zinsen den Vorteil der Kapitalnutzung.

Das Finanzgericht wies die Klage zurück. Die Entscheidung über den Erlass von Nachzahlungszinsen sei eine Ermessensentscheidung des Finanzamtes und unterliege deshalb nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.

Nach der Abgabenordnung könne eine Unbilligkeit auf sachlichen oder persönlichen Gründen beruhen. Eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen sei nicht vorgetragen worden und auch nicht aus den Akten erkennbar. Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen sei nach ständiger BFH-Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand bestehe, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen sei und dessen Wertungen zuwiderlaufe. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen habe, rechtfertige dagegen keine Billigkeitsmaßnahme. Die generelle Geltungsanordnung des Gesetzes dürfe durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden. Die Zinsen nach der Abgabenordnung seien eine laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung, so dass die Ursache für die überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer und ein Verschulden - unabhängig davon, wem dies zur Last falle - grundsätzlich irrelevant sei. Die sogenannte Vollverzinsung sei sowohl für Steuernachzahlungen als auch für Erstattungen bewusst verschuldensunabhängig ausgestaltet worden. Auch nach der ständigen BFH-Rechtsprechung stelle eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalles durch das Finanzamt regelmäßig keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar.

Im zweiten Fall vor dem Finanzgericht München teilte eine Aktiengesellschaft dem Finanzamt mit, dass aufgrund einer laufenden Betriebsprüfung Körperschaftsteuernachzahlungen zu erwarten seien und kündigte eine freiwillige Körperschaftsteuerzahlung in entsprechender Höhe für die Streitjahre an. Der Betrag wurde am 30. April 2007 auf einem Konto des Finanzamts gutgeschrieben und von diesem angenommen. Nach Abschluss der Betriebsprüfung erließ das Finanzamt unter dem Datum 26. November 2010 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 und setzte Zinsen fest. Die AG beantragte aus sachlichen Billigkeitsgründen den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund der freiwilligen Zahlung am 30. April 2007. Die AG ging dabei von einem Zinserlass für 43 volle Monate für den Zeitraum 30. April 2007 bis 29. November 2010 aus. Das Finanzamt ermittelte den erlassfähigen Betrag jedoch auf Grundlage von 42 vollen Monaten. Der Einspruch blieb erfolglos.

Soweit ein Steuerpflichtiger auf eine zu erwartende Steuernachforderung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbringt und das Finanzamt diese Leistungen annimmt, sind auf Antrag Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, so das Finanzgericht München.

Der Zinslauf der fiktiven Erstattungszinsen beginne dabei mit dem Tag der freiwilligen Zahlung, so dass dieser Monat insofern in die Berechnung der vollen Monate einzubeziehen sei.

Hinweis: Die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 % ist immer wieder streitbefangen. Beim derzeitigen Zinsniveau kann durchaus bezweifelt werden, ob der gesetzlich unterstellte Zinsvorteil noch angemessen ist. Der BFH hat aber mit Urteil vom 1. Juli 2014 keine (verfassungs-) rechtlichen Bedenken gegen die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes für den Verzinsungszeitraum vom 11. November 2004 bis 21. März 2011 gehabt.

Quelle: FG Thüringen, Urteil vom 22. April 2015, K 889/13, Revision eingelegt, (Az. des BFH: I R 77/15), NWB DokID: BAAAF-49553; FG München, Urteil vom 26. Oktober 2015, 7 K 774/14, Revision eingelegt (Az. des BFH: I R 92/15), NWB DokID: QAAAF-66331
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