Steuer-News-Archiv
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Freitag, 01.07.2016

Kunde oder Untertan des Finanzamts?

Eine gute Atmosphäre zwischen Ämtern und Bürgern stärkt die Steuermoral, sagt Ökonom Friedrich Schneider.

Ob die Bürger gesetzestreu ihre Steuern zahlen oder nicht, hängt weniger von der Abschreckungswirkung möglicher Strafen bei Steuerhinterziehung ab als von einer positiven Steuermoral. Dies Erkenntnis hat der Wirtschaftsforscher Friedrich Scheider vor dem Verein für Sozialpolitik (VfS), der Organisation der deutschsprachigen Ökonomen, auf der Jahrestagung in Münster betont. Der in Linz lehrende Professor Schneider, der seit Jahrzehnten über Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung und Korruption forscht, nannte es in seiner Vorlesung eigentlich paradox, dass die weit überwiegende Mehrheit der Menschen überhaupt ehrlich Steuern zahle. Das Entdeckungsrisiko bei Steuerhinterziehung werde als gering eingeschätzt.

„Nach rein ökonomischem Kalkül müsste die Steuerhinterziehung viel höher sein“, sagt Schneider. Umfragen zeigten aber die Bedeutung sozialer Normen: Steuerhinterziehung werde allgemein als nicht akzeptabel abgelehnt.

Dabei gibt es verschiedene Faktoren, die diese Steuermoral verstärken. Ein Faktor sei das allgemeine gesellschaftliche Klima. Wenn die anderen Bürger pflichtgemäß Steuern zahlten, wirke das ansteckend - und umgekehrt können sich verbreitete Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit ebenfalls ansteckend auf den Rest der Bevölkerung auswirken. Wichtig sei auch, dass die Bürger vom Staat eine adäquate Gegenleistung in Form guter öffentlicher Dienste erhielten. Ein wichtiger Faktor sei auch das Gefühl, zum Allgemeinwohl beizutragen. Schließlich sei besonders die Art und Weise wichtig, wie das Finanzamt mit Steuerpflichtigen in strittigen Fragen umgehe, ob es den Bürger „als Kunden oder als Untertanen“ behandelt. Gegenseitiger Respekt helfe enorm, die Steuermoral zu verbessern, unterstrich Schneider. Positiv wirke sich auch direkte Demokratie aus, wie sie in der Schweiz praktiziert wird, wenn die Bürger an der Politik unmittelbar teilnehmen können und über die Verwendung von Steuern mitentscheiden. Dies unterstrich Schneider in der prestigeträchtigen Thünen-Vorlesung (benannt nach Johann Heinrich von Thünen, einem der Pioniere der Grenznutzentheori e) vor dem Ökonomenverein, an dessen Jahrestagung etwa 800 Professoren und Nachwuchswissenschaftler teilnehmen.

Was das Ausmaß der Korruption an geht, stellt Schneider in seiner Forschung ein ausgeprägtes Ost-West-Gefälle in Europa sowie mehr Korruption in Süd-als in Nordeuropa fest. Allerdings sei die Wissenschaft nicht sicher, welche Faktoren wirklich dafür ausschlaggebend sind. Einige Forscher betonen die Qualität der staatlichenInstitutionen, die Korruption eindämme. Allerdings werde diese These nicht von allen Untersuchungen bestätigt. Eindeutig belegbar sei aber, dass mehr Korruption in Ländern mit wenig wirtschaftlicher Freiheit, viel Regulierung und einem großen, bürokratischen Staatssektor beobachtet. In wirtschaftlich freieren Ländern mit weniger Regulierung und schlankem Staat gebe es weniger Korruption. Als wirksames Mittel zur Abschreckung habe sich in Skandinavien eine gesetzliche Regelung erwiesen, wonach der Korruption überführte Unternehmen für drei bis fünf Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Wirksam sie auch, wenn bestechliche Beamte bei Entdeckung ihre Pensionsansprüche verlieren.

Schneiders wichtigstes Forschungsgebiet ist die Schattenwirtschaft. Er schätzt jährlich das Ausmaß der schattenwirtschaftlichen Aktivitäten, die am Fiskus vorbei geschehen. Für Deutschland kommt er derzeit auf eine Anteil von etwa mehr als zwölf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Diese Schätzungen, die sich indirekt aus dem Volumen des Bargeldumlaufs ergeben, seien aber unsicher, gab Schneider zu. Südeuropa sind die Schattenwirtschaftssektor weit größer. Die geringste Schattenwirtschaft gebe es in Österreich und in der Schweiz. Grundsätzlich gelte, dass hohe Steuerbelastung und Regulierung die Bürger in die Schattenwirtschaft treiben, vor allem wenn sie die vom Staat zur Verfügung gestellten öffentlichen Güter und Dienstleistungen für schlecht erachten. Auch hier spiele die Steuermoral eine Rolle. Seine Forschung habe gezeigt, dass direkte Demokratie und Mitsprache der Bürger zu mehr Identifikation mit dem Staat und weniger Schattenwirtschaft führen.

Auf dem Ökonomenkongress haben sich die Volkswirte auch mit dem Selbstverständnis und der öffentlichen Wahrnehmung ihrer Profession befasst. Einige beklagen, dass die Politik ihren Rat oft ignoriere. Der Düsseldorfer Wettbewerbsökonom Justus Jaucap sagte dazu, es stimme, dass die Wissenschaftler vieles nicht wüssten. Er fügte ironisch hinzu: ,, es ist aber vergleichsweise besser, wenn man auf Leute hört, die wissen, was sie nicht wissen, als wenn man auf andere Leute hört, die nicht wissen, was sie nicht wissen.“

Quelle: FAZ vom 09. September 2015
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