Steuer-News-Archiv
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Samstag, 01.10.2016

Anforderung an die Rechnungsanschrift

Der BFH hat in 2015 entschieden, dass eine ordnungsgemäße Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigt, die zutreffende Anschrift des Leistenden, unter der er wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet, enthalten muss.

Dieses Urteil stellt den Empfänger der Rechnung vor die oft unlösbare Aufgabe, nachzuweisen, dass der Leistungserbringer auch tatsächlich wirtschaftlich an der auf der Rechnung angegebenen Adresse tätig wird. Solange der Leistende seine Umsatzsteuer pflichtgemäß abführt, ist dies zwar in der Regel kein Problem, da das Finanzamt dann die wirtschaftliche Aktivität des Leistenden nicht in Frage stellt. Erfüllt der Leistende seine Pflichten jedoch nicht, wird es dem Leistungsempfänger kaum möglich sein, einen solchen Nachweis zu erbringen.

Dies zeigt auch ein Verfahren vor dem Finanzgericht BadenWürttemberg mit einem für den Unternehmer allerdings erfreulichen Ausgang, das nun dem BFH noch einmal Gelegenheit gibt, seine restriktive Haltung einzugrenzen.

Eine in Deutschland ansässige Unternehmerin kaufte von einer GmbH, die ihren angeblichen Sitz und ihre angeblichen Geschäftsräume ebenfalls in Deutschland hatte, Schrott und machte hierfür Vorsteuerbeträge geltend. Die Rechnungen enthielten sowohl eine Steuernummer und auch eine Straßenanschrift, unter der der Sitz der GmbH im Handelsregister eingetragen war. Die Geschäftsbeziehungen wurden telefonisch über eine Festnetznummer, die zu der angegebenen Anschrift passte, angebahnt.

Die leistende GmbH führte die Umsatzsteuer aus den Schrottlieferungen nicht ab. Die Steuerfahndung ermittelte, dass sich an der angegebenen Anschrift lediglich eine Anwaltskanzlei befand, die als Domiziladresse für 15 andere Firmen diente. Die Festnetznummer konnte der Kanzlei zugeordnet werden. Die in Deutschland angemeldete GmbH existierte jedoch nur auf dem Papier und war Bestandteil eines Umsatzsteuerkarussells. Aufgrund dieser Feststellungen wurde der Leistungsempfängerin der Vorsteuerabzug versagt.

Dies sah das Finanzgericht jedoch anders. Die Angabe einer Anschrift des leistenden Unternehmers, die der Eintragung des Sitzes im Handelsregister entspreche und an der zumindest gelegentlich tatsächlich wirtschaftliche Aktivitäten des Leistenden im maßgeblichen Zeitraum stattgefunden haben, reiche für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung aus. Der EuGH habe in einem zwischenzeitlich ergangenen Urteil erkennen lassen, dass die Angabe des handelsrechtlichen Gesellschaftssitzes ausreichend sei. Jedenfalls setzten die Richter am EuGH – anders als der BFH – nicht Anschrift und Sitz der wirtschaftlichen Aktivität gleich, sondern sahen im Auseinanderfallen von Anschrift und Sitz der wirtschaftlichen Aktivität keinen Widerspruch.

Im Streitfall bestand zudem – selbst nach den Anforderungen des BFH – kein sogenannter Briefkastensitz ohne jegliche geschäftliche Aktivitäten. Vielmehr stand der leistenden GmbH dort ein Schreibtisch sowie Telefon und Fax zur Verfügung, die auch tatsächlich genutzt wurden.

Bei Handelsbetrieben entspreche es im Übrigen der heutigen wirtschaftlichen Realität, dass Wareneinkauf und -verkauf per Telefon und Laptop von einem beliebigen Punkt in der Welt organisiert werden könnten, für die ein Sitz der wirtschaftlichen Aktivitäten kaum rechtssicher bestimmbar sei.

Hinweis: Das Finanzgericht vertritt hier die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BFH zum nicht ausreichenden Briefkastensitz aufgrund der inzwischen ergangenen EuGH-Urteile überholt ist. Es bleibt zu hoffen, dass der BFH im Revisionsverfahren den plausiblen Ausführungen des Finanzgerichtes folgt. Sollten Vorsteuerbeträge gestrichen werden, weil das Finanzamt die Auffassung vertritt, dass der Leistende am Leistungsort nicht wirtschaftlich tätig war, so können entsprechende Festsetzungen bis zu einem erneuten Urteil des BFH offen gehalten werden.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 2016, 1 K 1158/14, Revision eingelegt (Az. des BFH: V R 28/16), EFG 2016 S. 1562
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