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Samstag, 01.04.2017

Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung

Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, wie z.B. Krankheitskosten, wirken sich steuerlich nur aus, wenn die sogenannte zumutbare Eigenbelastung überschritten wurde.

Die Höhe der zumutbaren Eigenbelastung ist von den Familienverhältnissen und dem Einkommen abhängig und stellt sich wie folgt dar:

Zumutbare Belastung
Gesamtbetrag der Einkünfte in €: bis 15.340 / bis 51.130 / über 51.130
Ledige ohne Kinder: 5% / 6% / 7%
Verheiratete ohne Kinder: 4% / 5% / 6%
Steuerpflichtige mit 1- 2 Kindern: 2% / 3% / 4%
Steuerpflichtige ab 3 Kinder: 1% / 1% / 2%

Aufgrund der Verwaltungsauffassung, welche bisher von der Rechtsprechung gebilligt wurde, wurde das Gesetz so interpretiert, dass beim Überschreiten einer Einkommensgrenze der höhere Prozentsatz auf den gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte anzuwenden ist.

Diese Auffassung hat der BFH nun verworfen und wendet eine stufenweise Berechnung der zumutbaren Belastung an, wonach nur der Teil des Gesamtbetrages der Einkünfte dem höheren Prozentsatz zu unterwerfen ist, welcher die Einkommensschwelle überschreitet.

Im verhandelten Streitfall begehrte der Steuerpflichtige mit seiner Klage eigentlich, seine von ihm getragenen Altersvorsorgeaufwendungen vollständig bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung zu kürzen und nicht nur in dem Umfang wie es bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte erfolgt.

Er begründete dies mit einer verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung gegenüber Beamten, welche ihre Altersvorsorgeaufwendungen nicht zunächst als Lohnbestandteil zugerechnet bekommen und diese anschließend als Beiträge an eine Altersvorsorgeeinrichtung abzuführen haben, sondern ihren Pensionsanspruch dadurch erwerben, dass ihre Bezüge in der aktiven Dienstzeit niedriger angesetzt werden. Diese Auffassung teilte der BFH jedoch nicht. Er sah in der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung anhand des Gesamtbetrages der Einkünfte keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Im Ergebnis ermittelte der BFH dennoch eine niedrigere zumutbare Belastung, indem er entgegen der Verwaltungsauffassung eine stufenweise Ermittlung der zumutbaren Eigenbelastung vornahm.

Im Streitfall erzielten die verheirateten Steuerpflichtigen, welche Eltern eines Kindes sind, einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 51.835 €. Während das Finanzamt eine zumutbare Eigenbelastung von 2.073,40 € (51.835 € x 4 %) ermittelte, kam der BFH zu dem folgenden Ergebnis:

bis 15.340: 2% / 306,80 € (15.340 x 2%)
bis 51.130: 3% 1.073,70 € (35.790 x 3%)
über 51.130: 4% 28,20 € (705 x 4%)
Zumutbare Belastung: 1.408,70 €

Somit ließ der BFH im Ergebnis 664 € mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu. Diese Auslegung werde dem Zweck der Vorschrift gerecht, so der der BFH. Der Ansatz einer zumutbaren Belastung sei zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden, er müsse jedoch schrittweise in folgerichtig gestalteten Übergängen geschehen. Die bisherige Auslegung der Vorschrift führe indes in manchen Fällen zu Grenzsteuersätzen, die mit dem Ziel einer Einkommensbesteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren seien

Hinweis: Durch dieses Grundsatzurteil des BFH werden sich die außergewöhnlichen Belastungen der Steuerpflichtigen im erhöhten Maße steuerlich auswirken, was zu nicht unbeachtlichen Steuerausfällen auf Seiten des Fiskus führen wird. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber hierauf reagieren werden. Bis dahin sind alle Steuerbescheide, in denen die die zumutbare Eigenbelastung aufgrund der bisher geltenden Verwaltungsauffassung erlassen wurden, offen zu halten. Auch in der Steuererklärungssoftware müssen die Anbieter das Urteil noch umsetzen.

Quelle: BFH-Urteil vom 19. Januar 2017, VI R 75/14, NWB Dok-ID: GAAAG-41508
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