Steuer-News-Archiv
Steuer-News-Archiv
« zurück
Samstag, 01.04.2017

Schädlicher Beteiligungserwerb verfassungswidrig!

Die Regelung im Körperschaftsteuergesetz, wonach der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft anteilig wegfällt, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % und bis zu 50 % der Anteile übertragen werden (schädlicher Beteiligungserwerb), ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden.

Es fehle ein sachlich einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte im Fall eines sogenannten schädlichen Beteiligungserwerbs. Geklagt hatte eine in 2006 gegründete Kapitalgesellschaft mit zwei Gesellschaftern. Die Geschäftsjahre 2006 und 2007 schloss die Gesellschaft jeweils mit einem Verlust ab. Der festgestellte Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2007 betrug 594.769€. Im Jahr 2008 erwirtschaftete die Gesellschaft einen Gewinn. Noch vor Ende dieses Jahres übertrug ein Gesellschafter seinen Anteil an einen Dritten. Daraufhin kürzte das Finanzamt bei der Körperschaftsteuerveranlagung der Gesellschaft für 2008 die zum 31. Dezember 2007 verbleibenden Verluste um den prozentual auf diesen Gesellschafter entfallenden Anteil. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim Finanzgericht Hamburg erhobenen Klage berief sich die Gesellschaft auf die Verfassungswidrigkeit der Regelung zum schädlichen Beteiligungserwerb - Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Die Richter in Karlsruhe führten aus, dass das Ziel der Bekämpfung unerwünschter Steuergestaltungen, hier das Handeln mit vortragsfähigen Verlusten (sogenannter Mantelkauf ), eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Allerdings seien die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten, wenn zur Erfassung solcher Gestaltungen allein an die Übertragung eines Anteils von mehr als 25 % angeknüpft werde. Dieser Umstand indiziere für sich genommen nicht eine missbräuchliche Gestaltung, weil es für die Übertragung einer derartigen Beteiligung an einer Verlustgesellschaft vielfältige andere Gründe geben können.

Hinweis: Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2018 rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2015 aufgetragen, den festgestellten Verfassungsverstoß zu beseitigen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, ist die Regelung rückwirkend seit ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 2008 nicht mehr anwendbar. Rückwirkend zum 1. Januar 2016 hatte der Gesetzgeber ohnehin eine neue Regelung imKörperschaftsteuergesetz geschaffen, wonach die Folgen eines schädlichen Beteiligungserwerbes auf Antrag dann nicht eintreten, wenn die Gesellschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit drei Jahren ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält. Wird der Antrag gestellt und die Voraussetzungen liegen vor, können die sog. fortführungsgebundenen Verluste solange genutzt werden, bis diese vollständig verrechnet sind oder ein schädliches Ereignis, wie die Einstellung des Geschäftsbetriebes, eintritt. Ob der Gesetzgeber mit der Einführung der Regelung zum 1. Januar 2016 die Verfassungswidrigkeit des schädlichen Beteiligungserwerbes beseitigt hat, wurde vom Bundesverfassungsgericht offen gelassen, da dies einer gesonderten Prüfung bedürfe. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf das Urteil reagieren wird. Möglich ist, dass er die Neuregelung zur körperschaftsteuerlichen Verlustverrechnung ab 2016 für verfassungs-konform erachtet und die Neuregelung auf den 1. Januar 2008 rückdatiert. Zu beachten ist, dass die Neureglung allerdings auch mit vielen Fallstricken versehen ist, die zu einem Untergang des Verlustvortrages führen können.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes Nr. 34/2017 vom 12. Mai 2017, www.bundesverfassungsgericht.de
« zurück