Steuer-News-Archiv
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Sonntag, 01.04.2012

Strenge Regeln für Nachweis von Krankheitskosten vor Gericht

Krankheitskosten, die der Steuerpflichtige selbst tragen muss, können als außergewöhnliche Belastung von der Steuer abgesetzt werden. Wichtig ist, dass der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung nachweisen kann. Ob dieser Nachweis, in der Regel in Form einer ärztlichen Verordnung oder eines amtsärztlichen Attestes, bereits vor Durchführung der Maßnahme ausgestellt sein muss oder ob das auch nachträglich geschehen kann, darüber gab es in jüngster Zeit Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BFH und dem Gesetzgeber.

Im Jahr 2010 hatte der BFH seine langjährige Rechtsprechung zu dieser Thematik geändert. Er hatte klargestellt, dass ein formalisierter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nicht erforderlich sei. Der Nachweis könne auch im Nachhinein erbracht werden, was insbesondere Maßnahmen zu Gute kommt, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation daher nur schwer zu beurteilen ist. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber inzwischen ausgehebelt, denn in allen noch offenen Fällen wird der Steuerabzug davon abhängig gemacht, dass der Steuerpflichtige formalisierte Nachweise vorlegen kann, die vor Durchführung der Behandlung eingeholt werden müssen.

Nun musste sich das Finanzgericht Münster mit der neuen Gesetzeslage erstmals befassen. Es entschied, dass die dazu geschaffenen Neuregelungen zu beachten sind.

Verhandelt wurde im Fall eines Ehepaares, dessen Sohn in einem Internat untergebracht war, das sich auf die Betreuung von an Legasthenie leidenden Kindern spezialisiert hatte. Die Unterbringung hatte ihnen der Facharzt sowie der schulpsychologische Dienst empfohlen. Ein amtsärztliches Attest hatten die Eheleute im Vorfeld jedoch nicht eingeholt. Zwar gewährte ihnen die Stadt eine finanzielle Unterstützung, doch die deckte die Gesamtkosten nicht vollständig ab. Die verbleibenden Unterbringungskosten sowie die Heimfahrten wollten sie als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Das ließ das Finanzamt nicht zu, weil kein amtsärztliches Attest bestätigte, dass die Unterbringung des Sohnes krankheitsbedingt sei. Gegen die bürokratischen Forderungen des Finanzamtes klagten die Eltern und beriefen sich auf die günstige BFH-Rechtsprechung.

Das Finanzgericht wies die Klage leider ab. Zwar habe der BFH vor Kurzem seine Rechtsprechung geändert und fordere nun als Nachweis nicht mehr ein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest. Aber inzwischen gelte die geänderte Gesetzeslage, wonach ausdrücklich geregelt sei, dass im vorliegenden Fall bereits im Vorfeld die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen sei. Da diese aber nicht vorlägen, könne den Eheleuten kein Recht gegeben werden.

Im Übrigen gelte die gesetzliche Neuregelung in allen Fällen, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt sei. Damit habe der Gesetzgeber auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, obwohl die Regelung rückwirkend in Kraft trat, urteilte das Gericht. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung nämlich lediglich die bisherige Rechtslage rückwirkend festgeschrieben, so die Begründung.

Hinweis: Ob der Gesetzgeber tatsächlich mit der rückwirkenden Regelung verfassungskonform gehandelt hat oder nur unliebsame BFH-Rechtsprechung beseitigen wollte, ist umstritten. Da gegen das Urteil Revision zugelassen wurde, ist damit zu rechnen, dass sich der BFH demnächst wieder mit dieser Frage zu beschäftigen hat.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 18. Januar 2012, 11 K 317/09 E, LEXinform Nr. 5013193; FG Münster, Pressemitteilung vom 15. Februar 2012, Nr. 4/2012, LEXinform Nr. 0437547
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