Steuer-News-Archiv
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Montag, 01.04.2013

Leitfaden zur Vorbereitung auf Durchsuchungsmaßnahmen in Ihrem Unternehmen

Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung und der Kartellbehörden erfolgen häufig im Morgengrauen. Damit soll dem Betroffenen die Gelegenheit genommen werden, „brisante“ Informationen vernichten zu können, und ein Überraschungseffekt zu Gunsten der Ermittlungsbehörden ausgenutzt werden. Die Betroffenen haben - anders als etwa im Vorfeld einer Betriebsprüfung - nicht die Möglichkeit, sich auf die folgenden Maßnahmen vorzubereiten und sich schon im Vorfeld Gedanken über die „richtige“ Vorgehensweise zu machen.

Nachstehend geben wir Ihnen Hinweise, wie Sie sich bei entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen verhalten sollen und welche Maßnahmen erforderlich sind, um deren negative Auswirkungen möglichst zu begrenzen.

I. Einführung

Wenn Unternehmen durchsucht werden, geht es in den meisten Fällen entweder um (steuer)strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen oder möglicherweise auch kartellrechtliche Untersuchungen. Dabei können die unterschiedlichsten Behörden tätig werden: die Steuerfahndung, die Staatsanwaltschaft, deutsche Kartellbehörden oder Beamte der EU-Kommission. Die verschiedenen Behörden haben unterschiedliche Befugnisse bei der Durchführung ihrer Ermittlungen, und die gesetzlichen Verhaltensanforderungen an die betroffenen Unternehmen und deren Mitarbeiter sind völlig verschieden ausgestaltet. Nachstehend beschränken wir uns auf das am häufigsten vorkommenden Ermittlungsverfahren im Rahmen von steuerstrafrechtlichen Vorwürfen.

II. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen

Die Ermittlung in einem Strafverfahren ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Im Steuerstrafverfahren ergeben sich insoweit Besonderheiten, als dass Rechte der Staatsanwaltschaft in die Behördenorganisation der Finanzverwaltung zurückdelegiert werden. Daher ist in den meisten Fällen das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen einer Steuerstraftat wesentlich durch die Tätigkeit der Steuerfahndung geprägt.

Die Steuerfahndung ist ein besonderer Prüfungsdienst der Finanzverwaltung, der auf Länderebene organisiert ist. Sie hat eine Doppelfunktion: Zum einen obliegt ihr die Steuereintreibung, in diesem Fall wird sie als Fiskalbehörde tätig; zum anderen ist sie zuständig für die Steuerstrafverfolgung, hier wird sie als Strafverfolgungsbehörde tätig. Ihre Befugnisse als Fiskalbehörde sind in der Abgabenordnung geregelt. Wird die Steuerfahndung hingegen als Strafverfolgungsbehörde aktiv, richten sich ihre Befugnisse nach der Strafprozessordnung. Daneben gibt es die „Anweisungen für das Straf- und Bußgeld verfahren (Steuer), kurz: AStBV (St)/ hierbei handelt es sich allerdings nicht um gesetzliche Normen, sondern um Verwaltungsanweisungen.

Gemäß § 404 Satz 1 AO haben die Steuerfahndungsbeamten im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes. Sie können Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen nach den für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung anordnen (§ 399 Abs. 2 Satz 2 AO), und sie haben die Befugnis zur Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen (§ 404 Satz 2 i. V. m. § 110 Abs. 1 StPO). Die Ermittlungsbefugnisse umfassen weiterhin auch:

  • Maßnahmen zur Verhinderung der Verdunkelung der Sache, § 163 Abs. 1 StPO,
  • vorläufige Festnahme von auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten bei Fluchtgefahr oder Unklarheit über die Person, § 127 Abs. 1 StPO,
  • Festnahme von Tatverdächtigen, wenn Gründe für einen Haft- oder Unterbringungsbefehl vorliegen und Gefahr im Verzug vorliegt, § 127 Abs. 2 StPO.

Wird ausschließlich wegen einer Steuerstraftat ermittelt und führt die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren selbständig durch, so nimmt sie die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen, § 399 Abs. 1 AO. Die Steuerfahndung ist hier mit den staatsanwaltschaftlichen Befugnissen zuständig, bis gegen einen Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen wurde, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde oder die Staatsanwaltschaft das Verfahren an sich heranzieht. Nach der Übernahme durch die Staatsanwaltschaft wird die Steuerfahndung mit den Rechten des Polizeidienstes (s.o.) unter Federführung der Staatsanwaltschaft tätig.

Für die beiden in der Arbeit der Steuerfahndung häufigsten Erkenntnisquellen, nämlich die Durchsuchung und die Beschlagnahme von potentiellen Beweismitteln, ist grundsätzlich eine richterliche Anordnung in Form eines Durchsuchungsbeschlusses und eines Beschlagnahmebeschlusses erforderlich. Nur bei „Gefahr im Verzug“ dürfen die Beamten ohne einen solchen Beschluss tätig werden, der dann allerdings im Nachhinein anzufordern ist. Für das unmittelbare Verhalten des betroffenen Unternehmens und seiner Mitarbeiter im konkreten Fall der Durchsuchung/Beschlagnahme spielt dies jedoch faktisch keine Rolle, da an Ort und Stelle nicht überprüfbar ist, ob tatsächlich „Gefahr im Verzug“ vorliegt oder nicht. Dies lässt sich erst im Nachhinein durch gerichtliche Überprüfung klären. Hierbei kann eine gute Dokumentation der Durchsuchung für das Unternehmen hilfreich sein. Sollen Mitarbeiter im Zuge der Durchsuchung befragt werden, ist zunächst zu klären, ob die Befragung eines Mitarbeiters als Zeuge oder als Beschuldigter vorgenommen werden soll.

Zeugen sind gegenüber der Steuerfahndung nicht zur Aussage verpflichtet. Nur wenn eine Vorladung durch die Buß- und Strafsachenstelle (oder die Staatsanwaltschaft) vorliegt, ist ein Zeuge verpflichtet, auszusagen. Ein Zeuge hat Anspruch auf einen Rechtsbeistand (Zeugenbeistand) während seiner Vernehmung und muss keine Aussage machen, mit der er sich selbst oder nahe Angehörige belastet. Während der Durchsuchung sollten Mitarbeiter also gegenüber den Fahndungsbeamten keine Aussage zur Sache machen.

Im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren haben Beschuldigte das Recht, zu schweigen, da sie sich nicht selbst belasten müssen, sog. „nemo tenetur“ Grundsatz (Ausnahme: Feststellung der Personalien. In der Regel ist ein solches Schweigen auch zu empfehlen, da etwaiges entlastendes Vorbringen zu jedem (späteren) Zeitpunkt wirksam vorgetragen werden kann. Zuvor sollte jedoch eine intensive Prüfung des vorhandenen Belastungsmaterials erfolgt sein.

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