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Mittwoch, 01.01.2014

Zweifelsfragen zu Entlassungsentschädigungen

In einem ausführlichen Schreiben hat sich das BMF zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen geäußert.

Entlassungsentschädigungen sind seid 2006 zwar im vollem Umfang steuerpflichtig, jedoch kann durch die Anwendung der sogenannten Fünftelregelung zumindest eine Minderung der sich aus der „Abfindung“ ergebenden erhöhten Steuerprogression erreicht werden.

Damit die Fünftelregelung Anwendung findet, muss es sich bei der Leistung des Arbeitgebers jedoch zum einen um eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen des Arbeitnehmers handeln und zum anderen muss sich aus der Entschädigungszahlung eine Zusammenballung von Einkünften ergeben. Eine Zahlung des Arbeitgebers, die bereits erdiente Ansprüche abgilt, wie z.B. rückständiger Arbeitslohn, anteiliges Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Tantiemen oder bei rückwirkender Beendigung des Dienstverhältnisses bis zum steuerlich anzuerkennenden Zeitpunkt der Auflösung noch zustehende Gehaltsansprüche, kann daher keine begünstigte Entschädigung sein.

Die Anwendung der begünstigten Besteuerung setzt voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist deshalb grundsätzlich schädlich. Dies gilt nicht, soweit es sich um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehende geringfügige Zahlung (maximal 5 % der Hauptleistung) handelt.

Auch ein auf zwei Jahre verteilter Zufluss der Entschädigung ist ausnahmsweise unschädlich, wenn die Zahlung der Entschädigung von vornherein in einer Summe vorgesehen war und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt wurde oder wenn der Entschädigungsempfänger - bar aller Existenzmittel - dringend auf den baldigen Bezug einer Vorauszahlung angewiesen war.

Laut BMF zählen lebenslängliche betriebliche Versorgungszusagen, die neben einer Entlassungsentschädigung gezahlt werden, nicht dazu. Sie sind daher bei der Frage, ob die Entschädigung zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen ist, nicht einzubeziehen. Dies gilt auch bei dem Verzicht des Arbeitgebers auf Kürzung einer lebenslänglichen Betriebsrente, der vorzeitigen Gewährung einer lebenslangen Betriebsrente aufgrund der Auflösung des Dienstverhältnisses und auch in den Fällen, in denen ein verfallbarer Anspruch auf eine Betriebsrente im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in einen unverfallbaren Anspruch umgewandelt wird.

Damit eine Zusammenballung von Einkünften gegeben ist, müssen dem Arbeitnehmer durch die Entschädigung mehr Einnahmen zugeflossen sein, als es ohne eine Zahlung der Entschädigung der Fall gewesen wäre. Übersteigt die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraumes entgehenden Einnahmen, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezogen hätte, so ist das Merkmal der Zusammenballung von Einkünften stets erfüllt.

Übersteigt die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des entsprechenden Zuflussjahres entgehenden Einnahmen nicht, ist das Merkmal der Zusammenballung von Einkünften nur erfüllt, wenn der Steuerpflichtige weitere Einnahmen bezieht, die er bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht bezogen hätte.

Bei der Berechnung der Einkünfte, die der Steuerpflichtige beim Fortbestand des Vertragsverhältnisses im Veranlagungszeitraum bezogen hätte, ist grundsätzlich auf die Einkünfte des Vorjahres abzustellen, es sei denn, die Einnahmesituation ist in diesem Jahr durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt.

In die Vergleichsrechnung sind nur Einkünfte einzubeziehen, die in einem Veranlassungszusammen-hang mit dem (früheren) Arbeitsverhältnis oder dessen Beendigung bzw. in einem inneren Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit stehen, d.h. die dazu bestimmt sind, die Einkünfte aus der früheren Tätigkeit zu ersetzen. Negative Einkünfte aus einer neu aufgenommenen Tätigkeit sind nie zu berücksichtigen.

Beispiel 1:

Auflösung des Dienstverhältnisses im Jahr 02. Die Entschädigung im Jahr 02 beträgt 20.000 €.

Jahr 01:
Einkünfte aus dem Dienstverhältnis (50.000 € ./. 1.000 €): 49.000 €
Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten: 0 €
Summe: 49.000 €

Jahr 02
Einkünfte aus dem Dienstverhältnis (20.000 € ./. 1.000 €): 19.000 €
Entschädigung: 20.000 €
tatsächlich bezogenes Arbeitslosengeld: 4.800 €
Summe: 43.800 €

Die Entschädigung von 20.000 € übersteigt nicht den Betrag der entgehenden Einnahmen (30.000 €). Der auf der Basis der Einkünfte vorgenommene Vergleich der aus dem bisherigen Dienstverhältnis im Jahr 02 bezogenen Einkünfte einschließlich der Entschädigung (19.000 € + 20.000 € + 4.800 € = 43.800 €) übersteigt nicht die bisherigen Einkünfte des Jahres 01 (49.000 €).

Auch bei einem Vergleich nach Maßgabe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit übersteigen die im Jahr 02 bezogenen Einnahmen einschließlich der Entschädigung (20.000 € + 20.000 € + 4.8000 = 44.800 €) nicht die Einnahmen des Jahres 01 (50.000 €). Eine Zusammenballung der Einkünfte liegt daher nicht vor. Für die Entschädigung kommt eine ermäßigte Besteuerung deshalb nicht in Betracht.

Beispiel 2:

Auflösung des Dienstverhältnisses im Jahr 02. Die Entschädigung im Jahr 02 beträgt 25.000 €.

Jahr 01:
Einnahmen aus dem Dienstverhältnis: 50.000 €

Jahr 02:
Einnahmen aus dem Dienstverhältnis: 49.000 €
Entschädigung: 25.000 €
pauschal besteuerte Zukunftssicherungsleistungen ab dem Ausscheiden: 994 €
tatsächlich bezogenes Arbeitslosengeld: 4.800 €
Summe: 50.794 €

Die Entschädigung von 25.000 € übersteigt nicht den Betrag der entgehenden Einnahmen (30.000 €). Der Vergleich nach Maßgabe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ergibt, dass die Einnahmen im Jahr 02 einschließlich der Entschädigung, den pauschal besteuerten Zukunftssicherungsleistungen ab dem Ausscheiden und dem tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeld (50.794 €) die Einnahmen des Jahres 01 (50.000 €) übersteigen. Aufgrund der vorliegenden Zusammenballung kann die Entschädigung ermäßigt besteuert werden.

Sehen Entlassungsvereinbarungen zusätzliche Leistungen des früheren Arbeitgebers vor, z.B. unentgeltliche Nutzung des Dienstwagens, ohne dass der ausgeschiedene Mitarbeiter noch zu einer Dienstleistung verpflichtet wäre, so kann es sich um eine Entschädigung handeln. Eine Entschädigung liegt in diesen Fällen u.a. aber nicht vor, wenn derartige zusätzliche Leistungen nicht nur bei vorzeitigem Ausscheiden, sondern auch in anderen Fällen, insbesondere bei altersbedingtem Ausscheiden, erbracht werden.

Werden dem Arbeitnehmer dem Grunde nach schädliche zusätzliche Leistungen in einem späteren Veranlagungszeitraum gewährt, können diese jedoch als unschädliche Leistungen behandelt werden, wenn der Arbeitgeber diese aus Gründen der sozialen Fürsorge in einem späteren Jahr gewährt.

Auch ist es unschädlich, wenn die Zahlung einer Entschädigung in einem Jahr vorgesehen ist, jedoch planwidrig in mehreren Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wird, z.B. durch eine versehentlich zu niedrige Auszahlung aufgrund eines Rechenfehlers.

Hinweis: Das Schreiben des Finanzministeriums wird in allen noch offenen Fällen angewendet. Sollten Sie noch Fragen oder Klärungsbedarf im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen haben, beraten wir Sie hier gerne.

Quelle: BMF-Schreiben vom 1. November 2013, IV C 4 S 2290/13/10002, BStBl. 2013 I S. 1326
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